Dienstag, 13. Dezember 2016

Gibt es eigentlich einen Wolfsburger, der diese Saison nicht total enttäuscht hat?

Ganz ehrlich: Diese Saison der Wolfsburger ist doch dieses "Schlag den Star" Unterschichtenfernsehen, bei dem man nicht weg gucken kann, obwohl man eigentlich sollte... und ja, genau genommen ist die Saison bisher noch schlimmer als die des Hamburger SV. Der einzige Grund, warum das niemanden aufgefallen ist... liegt halt daran, dass sich allgemein niemand für Wolfsburg interessiert.

Aber es ist halt auch "der perfekte Sturm". Ein Gemälde. Ein echtes Meisterwerk. Eine dieser Hall of Shame Saisons. Zumindest bisher.

Im Zentrum aller Schlagzeilen steht natürlich Julian Draxler. Ein Spieler, bei dem man sich nicht sicher sein kann, ob er eine buchstäbliche Verbannung auf die Tribüne überleben würde. Und ja, Tribune heißt nicht Ultrablock... und wahrscheinlich gibt es in Wolfsburg gar keine Ultras... aber sind wir uns sicher, dass nicht auch die Manager auf der VIP Tribüne den Jungen lieber lynchen als verkaufen würden?

Aber Julian Draxler ist noch nicht mal das eigentliche Problem. Also eine ordentlich strukturierte Mannschaft hätte einen Spieler wie Draxler auffangen und einnorden können. Ihn zumindest vermitteln können, dass es ihm mehr bringt, wenn er sich jetzt richtig rein hängt und den Verein auf Platz 3 führt. Auch wenn er dieses Jahr nicht international spielt, hätte er sich so für die großen Topklubs bewerben können. Schließlich spielt er nicht in irgendeiner Gurkenliga.

Und ja, auch Dieter Hecking und Klaus Allofs hätten diese Aufgabe übernehmen können... aber wie einer der Besten Trainer des Landes eine vom ehemals 2.besten Manager des Landes zusammengestellte Mannschaft so schnell verlieren konnte, bleibt eines der ganz großen Mysterien...

Die sich am ehesten durch das Grundproblem, welches die Wolfsburger in Kauf nehmen mussten, erklären lässt:
Ihr einziger Führungsspieler mit absoluter Identifikation heißt Marcell Schäfer. Und wenn du den neben der eigentlich hervorragenden Offensivabteilung aufstellen musst, hast du ein Problem. Denn die Zeiten, wo Schäfer mehr als ein durchschnittlicher Bundesligaprofi war, sind lange vorbei. Falls es die jemals gab. Genau genommen lebt der bis heute von der einen perfekten Saison unter Felix Magath. Und heute ist er der einzige, der wirklich alles versucht um den Negativtrend aufzuhalten.

Das Problem ist aber: Du kannst dir auch keine Führungsspieler kaufen. Also die eine Ausnahme ist wohl Naldo. All die Abgänge der hochtalentierten Offensivspieler konnte man halbwegs verkraften. Seit dem Naldo weg ist, bricht halt alles zusammen.
Denn normaler Weise kauft man sich halt für die "Führungspositionen" einen Luiz Gustavo. Und es ist nichts verkehrt mit Gustavo. Also das ist echt ein wunderbarer Mitläufer. Ein Rollen- oder Ergänzungsspieler für Champions League Teilnehmer. Genau die Rolle hat er bei den Bayern übernommen und genau die Rolle kann er bis heute ausfüllen. Solche Spieler sind ja auch wichtig, es kommt halt nur immer wieder vor, dass solche Spieler dann nach größeren Rollen streben und daran scheitern. Wenn es aber darum geht, eine Mannschaft aus einer kritischen Situation herauszuführen... geht er eher mit unter. Genau so wie sein kongenialer (in dieser Hinsicht) Partner Dante. Beide hatten nicht zufällig eine Schlüsselrolle beim „sete – um“.

Bisher wurde dieses Problem allerdings immer durch die heute wohl entscheidende Diskrepanz im Kader überdeckt: Die Offensive war einfach überragend besetzt. Also Spieler wie Ivan Perisic, Julian Draxler, Andre Schürrle, Mario Gomez und vor allem Kevin de Bruyne sind halt für Wolfsburg völlig überqualifiziert. Abgesehen von Gomez haben sie halt alle eine Gemeinsamkeit: Sie haben Wolfsburg nur als Durchgangsstation betrachtet. Was ja erst im Fall von Draxler zum Problem wurde, weil Wolfsburg hier zum ersten Mal als Durchgangsstation nicht profitiert.
Die Offensive war halt immer so gut, dass sie Probleme in der Hierarchie überdecken konnte. So was kommt halt nur zum Vorschein, wenn es nicht läuft.
Dieses Jahr... nun ja... Mario Gomez hat erst Mal allen bewiesen, warum der Titel "Gomez der Woche" nach ihm benannt worden ist. Und Julian Draxler hat halt keinen Bock. Oder ist durch das aus seiner nicht gebrochene Versprechen blockiert. Wenn diese beiden im halbwegs erwartbaren Rahmen geliefert hätten, wäre Wolfsburg zumindest Zehnter.

Und zwischen diesem völlig absurden Chaos soll es jetzt einen Spieler geben, der nicht total enttäuscht hat? Noch viel schlimmer: Es gibt diesen einen Spieler, der richtig gut war:
Koen Casteels.
Das klingt natürlich völlig absurd, weil Casteels halt eher wie ein Charakter aus Scooby Doo als wie ein Bundesligaprofi aussieht. Aber Casteels hat einen richtig starken Saisonauftakt hingelegt. Bis diese Woche tauchte er jedes Mal in der Statistikabteilung der Kickers auf. Weil 4 Weiße Westen in 8 Spielen halt ein überragender Wert war. Was sich auch in dem Notenschnitt von 2,88 widerspiegelt.
Natürlich ist auch Casteels ein Mal von Dortmund mit 1:5 abgeschossen worden. Aber was will man da als Torhüter machen, wenn der Rest so gar nicht verteidigt?
Aber nachdem man in Unterzahl auch gegen Darmstadt verloren hatte, musste der Trainer halt etwas umstellen... und er traf zielsicher den einzigen guten Spieler, den er im Kader hatte: Seinen Torwart.
Während all die anderen, die Krise eigentlich zu verantwortenden Experten wie Gomez, Gustavo und Draxler weiter wurschteln durften. Gute Entscheidung.

Ich meine, das einzige, was man Casteels vorwerfen kann, ist ja, dass er nicht selber mal nen Tor erzielt hat.
Besser geworden ist dadurch natürlich nichts. Denn auch sein "Ersatz" Diego Benalgio ist halt einer dieser "Der wird auch nur in Wolfsburg Führungsspieler" Kapitäne. Klar, ein Grundsolider Torwart, aber niemand, der einen Unterschied ausmacht. Grundsolide Torhüter haben halt auch 14 von 18 Bundesligisten im Kader...
Aber nachdem man dann Casteels trotz guter Leistungen so verbrannt hat, gibt es natürlich auch kein zurück mehr. Einen derart demontierten Torwart kannst du halt kaum einfach wieder ins Tor stellen und sagen "Tut mir leid, war ne Fehlentscheidung"... also gut, Valerien Ismael hätte das gekonnt... ich habe aber nicht das Gefühl, dass wir Ismael langfristig als Bundesligatrainer erleben werden...
Was mich an dieser Situation am meisten schockiert: Wolfsburg hat echt den einen Spieler im Kader, der mir einfach nur leid tut. Denn der muss jetzt im nächsten Sommer als Torwart nach Bremen wechseln um wieder halbwegs auf die Beine zu kommen... und wenn du als Torwart zur chronischsten Schießbude der Liga wechseln musst, obwohl du richtig starke Leistungen gezeigt hast...

Und so... wird Wolfsburg seinen einzigen gut spielenden Stammspieler am Saisonende ablösefrei und völlig unnötig an einen direkten Konkurrenten verlieren. Besser kann man die Wolfsburger Saison nicht zusammenfassen.

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