Montag, 10. Oktober 2016

Das faszinierende an der Personalie Gonzalo Castro

Es zeigt halt auf so vielen Ebenen die Luxus-Probleme unserer Nationalelf. Und damit auch das Paradoxon an Jogi Löws Personalpolitik... und unsrem Umgang mit dieser.

Lasst uns erst Mal eines festhalten: Ja, Löw hat vollkommen recht, wenn er feststellt, dass man im Zentralen und Offensiven Mittelfeld unfassbar gut besetzt ist. Und ja, für die Zentrale brauchen wir einen Gonzalo Castro gar nicht. Da haben wir noch bessere Spieler zur Verfügung. Denn wenn alle Fit und in Form sind, muss mindestens ein Weltklasse Offensivspieler auf der Bank Platz nehmen...

Wenn man sich die Deutsche Auswahl der letzten 2 Jahre so anschaut... dann haben wir ja nur auf 3 Postionen keine Weltklasse Option zur Verfügung: Die Außenverteidiger und den klassischen Mittelstürmer.

Und nur um mal festzuhalten, wie verzweifelt wir in Sachen rechter Außenverteidiger sind: Jogi Löw hat 2 Jahre lang über Sebastian Rudy nachgedacht... um gerade noch rechtzeitig die Kurve zu kriegen und einen Spieler für diese Rolle zu nominieren, der diese noch nie gespielt hat.

Lustiger Weise sind Rudy, Joshua Kimmich und Castro exakt die gleichen Spieltypen: So polyvalent, dass man kaum einen Unterschied bemerkt, wenn man sie auf dem Platz verschiebt. Gleichzeitig aber nicht auf der einen Position gut genug sind um wirklich herauszuragen.

Und ja, Kimmich hat von den Dreien das größte Potenzial... aber hätte es ihm wirklich geschadet, wenn er die Turniererfahrungen im Sommer bei Olympia als Stammspieler gesammelt hätte? Nur um mal so Optionen aufzuzeigen...
Und ja. Jogi Löw hat auch Recht, wenn er behauptet, dass Castro in den letzten Jahren in seiner Entwicklung ein wenigen "stehengeblieben" ist... Aber man muss an der Stelle auch einfach mal festhalten: Das Niveau, auf dem er stehengeblieben ist, war weit über dem von Sebastian Rudy. Der eine spielte für den vielleicht besten Bundesligazweiten aller Zeiten, der andere mühte sich redlich darum, mit seiner Mannschaft nicht zu den 2 schlechtesten Bundesligisten der letzten Saison zu gehören.

Und ja, Castro (auch wenn er das lange nicht mehr musste) hat seine Tauglichkeit als Rechtsverteidiger (Und als Spieler im allgemeinen... ) auf internationalem Niveau nachgewiesen. Und so blöd das klingt: Das ist dann halt bei einem derart überragenden Kader genau der Rechtsverteidiger, den du brauchst: Einem Spieler, der das souverän und sicher runter spielen kann.
Er hatte auf jeden Fall einen höheren Leistungsnachweis als ein direkter Konkurrent... oder anders ausgedrückt: Wenn Castro in Hoffenheim gespielt hätte, wäre er so viel besser als der Rest gewesen, dass er garantiert nicht auf dem Verschiebebahnhof gelandet wäre. Denn in dieser Mannschaft wäre er der überragende Fixpunkt, der er auf höherem Niveau nie werden wird, gewesen.

Wenn wir uns die Europameisterschaft im Sommer mal kritisch angucken... ist Jogi Löw genau genommen an 2 Personalentscheidungen gescheitert. An Bastian Schweinsteiger, der im eigenen Strafraum mit seinem Handy rumspielte und deswegen einen absurden Handelfmeter verursachte. Und an eben diesen Kimmich, der mit seinem Ballverlust das 0:2 einleitet (welches dann quasi von Manuel Neuer veredelt wird...). Klar, hinterher ist man immer schlauer... aber man kann sich schon fragen, ob Castro nicht für beide Positionen die bessere Option gewesen wäre...
Und ja, Kimmich hat bis dahin ein für sein Alter überragendes Turnier gespielt (auch wenn er gegen Italien und Frankreich nur eine 3 und eine 3,5 bekommen hat... es ist also nicht so, dass er in den entscheidenden Spielen überragend war... nur gegen Nordirland...)

Genau das ist halt das wirklich faszinierende an dieser Debatte: Warum wird sie erst jetzt geführt? Warum haben wir uns nicht schon mal im Sommer damit beschäftigt, dass ein Dortmunder Spieler offensichtlich mehr leisten muss als ein Bayern- (was noch verständlich ist) oder eine Hoffenheim-Profi um überhaupt mal ins Trainingslager eingeladen zu werden?

Und ja, als das Fachmagazin, dass der Kicker laut eigener Aussage ja immer noch sein wollte, hätte man genau diese Debatte das erste Mal vor dem Trainingslager führen können. Und dann nach dem EM Aus wieder... Und das ganze frei von jeder Polemik. Aber wenn man die Wahl zwischen einer sachlichen Debatte und dem versammelt hinter der Deutschen Mannschaft stehen hat... entscheidet man sich halt in diesem Land immer erst Mal für letzteres...

Oh und bevor das unter geht: Das Fachmagazin Kicker hat am Donnerstag damit argumentiert, dass Bastian Schweinsteiger bei Fifa 17 (einem Computerspiel...) eine höhere Wertung hat als seine direkten Konkurrenten... Ja... genau...

Vielleicht... sollten die einfach mal ihren nach Hoffenheim straf versetzten Reporten (das ist dieses Jahr nicht mehr Michael Pfeifer, aber die Themen bleiben die selben) eine Ausgabe dieser Fußball-Simulation mitgeben... damit denen mitgeteilt wird, dass sie nur über Spieler mit einer Stärke von etwa 75 berichten und ihnen deutlich wird, dass die Nationalspieler alle eine von 83 haben (sollten...).

Und das bringt direkt die nächste absurde Ebene in diese Debatte: Wir sind uns also alle relativ einig, dass ein Spieler, der seit Jahren seine Klasse auf internationalem Niveau nachgewiesen hat, für die Nationalmannschaft kaum von Interesse ist, weil dort nur Weltklasse Spieler Stammspieler werden können... Das hält die Leute trotzdem nicht davon ab über Serge Gnabry als garantierten sicheren Nationalspieler und fast sicherem Neuzugang beim FC Bayern zu schreiben... What the Fuck?

Und ja, man erkennt sehr schnell, dass Gnabry besser ist als die restlichen Bremer... das Problem ist halt: Das heißt bei Werder auch einfach nicht mehr so sonderlich viel. Oder anders ausgedrückt: Das wäre Castro auch... auch wenn Gnabry da ist... Und die Zeiten, in denen die überragenden Werder-Spieler sofort auf dem Radar der Bayern auftauchen, sind irgendwie auch vorbei... Derzeit geht man dann halt eher nach Gladbach. Und ja, einen Wechsel von Gnabry im nächsten Sommer nach Gladbach oder Leverkusen halte ich für realistisch... Einen zu den Bayern eher nicht.

Wir wissen also einerseits, dass wir in unserer Nationalmannschaft absurd gut besetzt sind. Wir ignorieren das aber, sobald es darum geht, einen unserer Vereinshelden in den Himmel zu loben. Dabei lautet die einfache Wahrheit doch: Solange Castro keine Rolle in der Nationalmannschaft spielt, müssen alle Journalisten aus Hoffenheim oder Bremen nicht darüber nachdenken, ob ihre "Helden" wirklich in diese Kategorie gehören könnten.

Es ist schon faszinierend, dass wir in diesem Land einfach keine sachliche Debatte über unseren Nationalmannschaftskader führen können. Weil wir einerseits bei den kritischen Personalien viel zu spät nachfragen, anderseits uns jeder Journalist erzählen will, dass wir da gerade potenzielle Nationalspieler sehen.

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